Röntgendiffraktion
Restspannungen können mit der Röntgenbeugungsmethode zerstörungsfrei gemessen werden. Die Röntgenbeugung liefert zuverlässige und objektive Daten für die Bewertung der Qualitätskontrolle.
Die Röntgenstrahlung wurde 1895 von dem deutschen Physiker W.C. Röntgen entdeckt und nach ihm benannt. Es handelt sich um elektromagnetische Strahlung mit deutlich kleinerer Wellenlänge als sichtbares Licht und damit deutlich höherer Energie. Mit hilfe der kleinen Wellenlänge dieser „weichen“ Röntganstrahlung lassen sich in kristallinen Werkstoffen die atomaren Gitterabstände in Tiefen von 1-30µm von der Oberfläche messen. Unter Annahme eines ebenen Spannungszustandes, lassen sich über die Änderung der Gitterabstände Eigenspannungen absolut messen, ohne Zuhilfenahme einer spannungsfreien Probe
X-ray Diffraction
Kristallstruktur und Miller Indizes
Kristallstruktur und Miller Indizes
Kristalline Werkstoffe werden durch Einheitszellen beschrieben. Das kleinste Volumen, wenige Atome, das die Struktur beschreibt.
Ein Beispiel: Ferritischer Stahl wird als „kubisch raumzentriert“ (krz) beschrieben. Ein Würfel mit einem Atom in jeder Ecke und einem Atom im Zentrum des Würfels. In dieser Einheitszelle sind die Seitenlängen a=b=c.
Durch diese Einheitszelle lassen sich eindeutige Schnitte legen, die durch die sogenannten Miller Indizes (hkl) beschrieben werden. Die Miller indizes sind eine reziproke Beschreibung der Schnittebene. Am Beispiel von ferritischem Stahl ist die typischerweise für die Mesung der Eigenspannung benutzte (211) Ebene ein Schnitt bei ½ von a, 1 von b, und 1 von c.
Ein kristalliner Werkstoff besteht aus Einheitszellen einer bestimmten Orientierung innerhalb eines Korns. Mehrer Körner zusammen bilden eine annähernd homogene Struktur mit zufällig orientierten Einheitszellen innerhalb des vom Röntgenstrahl belichteten Volumens.
Erzeugung von Röntgenstrahlung
Erzeugung von Röntgenstrahlung
Die übliche Quelle für Röntgenstrahlung ist eine Röntgenröhre. Ähnlich einer klassischen Glühbirne befindet sich im Inneren ein elektrisch beheizter Wolframdraht. Wird dieser Draht aufgeheizt, bildet sich eine Elektronenwolke um den Draht. Zwischen diesem Draht als kathode und einer Anode vird eine hohe beschleunigungsspannung angelegt. Typischerweise 30keV bei underen Geräten. Durch diese Spannung werden die Elektronen um die Kathode zur Anode hin beschleunigt, es entsteht ein Elektronenstrahl zwischen kathode und Anode. Wenn diese Elektronen auf die Anode auftreffen, schlagen sie aufgrund Ihrer Energie Elektronen aus der unteren Schale der Atome des Anodenmaterials. Wenn dann ein Elektron aus einer höheren Schale diese Lücke auffüllt verliert das Elektron Energie in Form von charkteristischer, nahezu monochromatischer Röntgenstrahlung. Abhängig vom Anodenmaterial entstehen charakteristische Wellenlängen, hauptsächlich Kα und Kβ zusammen mit Untergrundstrahlung. Insgesamt ist dieser prozess allerdings sehr ineffizient. Weniger als 1% der ankommenden Elektronenenergie erzeugt tatsächlich Röntgenstrahlung. Der größte Teil wird in Wärme umgewandelt.
Röntgenbeugung am Kristallgitter (Braggsches Gesetz)
Röntgenbeugung am Kristallgitter (Braggsches Gesetz)
Das Braggsche Gesetz wurde von William Henry Bragg und seinem Sohn William Lawrence Bragg 1913 beschrieben und ist die Basis zur Beschreibung der Röntgenbeugung. Die Beziehung zwischen Gitterebenenabständen, der auftreffenden Wellenlänge und des Beugungswinkels wird wie folgt beschrieben:
oder, für unsere Anwendung:
λ = bekannte Wellenlänge der Röntgenstrahlung.
θ = Beugungswinkel
d = Gitterebenenabstand
Diese Beziehung erlaubt durch Messung des Beugungswinkels θ die Berechnung des Gitterebenenabstandes. In der Praxis wird bei Messung im Rückstrahlbereich die Wellenlänge su gewählt, dass beim spezifischen Gitterabstand d des zu untersuchenden Ebene eines Werkstoffes der Beugungswinkel möglichst groß wird. Das Braggsche Gesetz hat sich als genau und korrekt erwiesen, was es zu einem nützlichen Werkzeug für Beugungsexperimente macht.
Eigenspannungsbestimmung mittels Röntgenbeugung
Eigenspannungsbestimmung mittels Röntgenbeugung
Über die Kombination aus bekannter Kristallstruktur eines Werkstoffes und der charkteristische Wellenlänge einer Röhre lässt sich ein für die Messung günstiger Beugungswinkel auswählen mit guter Intensität und hohem 2θ Winkel (2θ>130˚).
Durch Dehnungen ändern sich Die Gitterebenenabstände in der Oberfläche abhängig vom Winkel einer Gitterebene relativ zur Dehnungsrichtung.
Durch Änderung des Einfallswinkels x des Röntgenstrahls relaiv zur Oberfläche lassen sich diese unterschiedlichen Gitterabstände d messen. Trägt man diese Gitterabstände über sin²x auf erhält man idealerweise eine lineare Verteilung der Punkte. Über die Steigung der Geraden durch diese Punkte und die Elastizitätskonstante des Werkstoffes lässt sich Eigenspannung in Kipprichtung des Röntgenstrahls berechnen. Eine positive Steigung bedeutet Zugspannung, dementsprechend bedeutet eine negative Steigung Druckspannung
Durch Rotation des Goniometers oder der Probe um die Normale auf den Messpunkt und erneute Kippungen lassen sich die Eigenspannungen in anderen Richtungen messen. Mit Messungen in drei Richtungen in 45° zueinander (z.B. 0°, 45°, 90°) lassen sich auch die Hauptspannungen ind der Oberflächenebene berechnen.
Die Messzeiten pro Messrichtung sind üblicherwise sehr kurz, von wenigen Minuten bis zu einer Stunde. Alerdings beeinflusst die Größe des Messpunktes entscheidend die Messzeit. Je größer der belichtete Punkt, desto kürzer die Messzeit.
Restaustenitmessung
Restaustenitmessung
Bei niedriglegierten und wärmebehandelten Stählen liegt Eisen üblicherweise in zwei PhasenIn vor:
α-Eisen: eine Kombination aus kfz Ferrit und/oder tfz (tetragonal flächenzentriert) Martensit. Diese beiden Kristallformen lassen sich hinsichtlich des Beugungswinkels nicht unterscheiden.
γ-Eisen: die krz Austenit Phase. Diese hat aufgrund des anderen kubischen Kristallsystems bei gleicher Röntgenstrahlung deutlich andere Beugungswinkel als α-Eisen.
Zur Bestimmung des Restaustenitgehaltes werden die integrierten Intensitäten der Reflexe von Ferrit/Martensit und Austenit gemessen. Diese Intensitäten werden mit den sog. R-Faktoren hinsichtlich der Beugungsbedingung korrigiert. Ein direkter Vergleich des Verhältnisses der korrigierten Intensitäten ergibt das Verhältnis von Ferrit/Martensit zu Austenit. Dieser Vergleich kann schon mit je einem Ferrit/Martensit und Austenit Reflex erfolgen. Ein Vergleich von insgesamt 4 Reflexen (2 Ferrit/Martensit, 2 Austenit) liefert zusätzlich noch eine Standardabweichung für die Messung.
Die Anwendung des Standards „ASTM E 975-13 Standard Practice for X-ray Determination of Retained Austenite in Steel with Near Random Crystallographic Orientation“ zusammen mit Xstress 3000 systemen, erlaubt die Überwachung des Restaustenitgehaltes bei der Wärmebehandlung.
Bestimmung der Elastizitätskonstanten
Bestimmung der Elastizitätskonstanten
E-Modul und Querkontraktionszahl sind die durchschnittlichen linearen elastischen Parameter eines Werkstoffes aus einem Zugversuch, ein Mittelwert aus allen kristallografischen Richtungen. Bei der Röntgenbeugung wird nur eine Gitterebene in einer dieser Richtungen relativ zur Einheitszelle gemessen. Für besonders geneau Berechnung der Eigenspannung ist es erfordelich die elastische Konstante der gemessenen Gitterebene anzuwenden. Die elastische Konstante (REK) einer bestimmten Gitterebene kann experimentell in einem Biegeversuch bestimmt werden.
Dazu wird im Biegeversuch die Probe in mehreren Schritten mit unterschiedlicher Last beaufschlagt un in jedem Schritt eine normale Eigenspannungsmessung durchgeführt. Die XTronic Software berechnet die Änderung der Gitterebenenabstände durch die Last in jedem Schritt und daraus die elastische Konstante für diese Gitterebene.
Messung von Tiefenprofilen
Messung von Tiefenprofilen
Eigenspannungszustände in einer Oberfläche werden aufgrund der geringen Eindringtiefe durch eine alleinige Oberflächenmessung meist nur unzureichend beschrieben. Thermische Behandlung und mechanische Bearbeitung hinterlassen Eigenspannungsverläuft die in die Tiefe des bauteil variieren. Zur Charakterisierung dieser Eigenspannungsverläufe müssen Tiefenprofile gemessen werden. Dazu wird schrittweise Material an der Messtelle elektrochemisch bis auf die gewünschten Tiefen abgetragen und auf jeder Tiefe eine Eigenspannungsmessung durchgeführt. Die Schrittweit beträgt dabei ca. 5µm – 100µm je nach Bearbeitung und Werkstoff. Das große Werkstoffvolumen relativ zum Werkstoffabtrag an der Messtelle und das elektrochemische Abtragsverfahren ändern die ursprünglichen Eigenspannungszustände nicht wesentlich und bringen auch keine neuen Eigenspannungen ein. Die Schrittweiten und Tiefen ergeben sich aus Spezifikationen oder Erfahrungen mit der jeweiligen Oberflächenbehandlung und -Bearbeitung.
Strahlenschutz
Strahlenschutz
Röntgenstrahlung ist ionisierende Strahlung und kann Gesundheitsschäden verursachen. Daher müssen entsprechede Sicherheitsvorkehrung getroffen werden. Die Streustrahlung wird in Luf relativ schnell absorbiert. Bei Cr Kα-Strahlung wird z.B. ca 94% der Strahlung innerhalb von 1m vom Messpunkt absorbiert. Da jedoch der Primärstrahl einen deutlich höheren Fluß hat wird der Einsatz einer Strahlenschutzkabine empfolen.